Mit seinem nie realisierten Projekt "Gesamtkunstwerk Freie und Hansestadt Hamburg" von
1983/84 legte Beuys einen immer noch gültigen und wichtigen Anspruch vor. Zu einem Wettbewerb
"Stadt-Natur-Skulptur" nach Hamburg eingeladen, forderte Beuys, "man solle ihm, da er ja nichts
Geringeres im Sinne habe, als die Stadt zu einem ökologischen Gesamtkunstwerk zu
machen, ... den größten ökologischen Problemfall Hamburgs zeigen, da wolle er ansetzen".
Beuys entschied sich für die Hamburger Spülfelder. Jährlich werden circa 2,5 Millionen
Kubikmeter hochgradig verseuchter Sand und Schlick aus der Elbe auf sogenannten Spülfeldern
im Hafengebiet dauerhaft deponiert. Die im Vergleich zur Entsorgung billige Deponielösung
belegte allerdings langfristig immense Flächen mit der permanent drohenden Gefahr einer
Verseuchung des Grundwassers. 1973 beschloß der Senat ein ganzes Fischerdorf, Altenwerder,
abzureißen, um das Gebiet meterhoch mit Schlick zu bedecken. Nur die Kirche und der Friedhof
blieben als einsame Relikte stehen und sind heute für jeden Autofahrer kurz vor dem Elbtunnel
ein sichtbares Symbol dieser Politik.
Hier wollte Beuys ansetzen und in einem ersten symbolischen Schritt eine bearbeitete
Basaltsäule aus der Serie "Das Ende des 20. Jahrhunderts" auf die Spülfelder werfen und
durch das Aufspritzen samenvermischter Erde eine erste Wiederbelebung einleiten.
Die Pflanzen sollten die Giftstoffe binden und das Einsickern ins Grundwasser zumindest
verzögern. Leider wird das Spülfeld-Projekt bis heute meist auf diese symbolische Handlung
reduziert. An dieser bewußt durch die Medien gesteuerten Reduzierung auf eine reine
Bepflanzungsaktion scheiterte das Projekt auch, bevor es umgesetzt werden konnte. Der
damalige erste Bürgermeister von Dohnanyi legte ein Veto ein, der Senat lehnte das Projekt
daraufhin 1984 ab.
Beuys aber ging es um etwas ganz anderes. Die Bepflanzung sollte primär symbolischer Auftakt
eines komplexen und langfristig angelegten gesellschaftlichen Prozesses sein. Kernpunkt war
eine Kulturinitiative, die ganzheitlich orientierte, neue Gestaltungsmöglichkeiten entwickeln
und ihre praktische Umsetzung vorantreiben sollte. Als Anlaufstelle sollte in der City ein
Büro eingerichtet werden. Von hier ausgehend sollte ein permanenter runder Tisch aus Politik,
Verwaltung, Umweltverbänden, Firmen, Fakultäten der Universität und Kulturvertretern die
ökologisch orientierte Umgestaltung des Stadtstaates vorantreiben. Der Projektetat von
"Stadt-Natur-Skulptur" von 400.000 DM sollte als Grundstock in eine Stiftung eingebracht
werden, die eine kontinuierliche Finanzierung sichert.
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