Eine Mauer, frontal zum Eingangsbereich des Hanseatischen Oberlandesgerichts am Sievekingplatz.
Auf grauer Betonfläche mahnt kalt und provozierend die Zahl 1933. Was damals war, hat die Rechtsprechung
blockiert. Zum Park Planten un Blomen hin, ausgerichtet auf einen Entspannungsbereich des städtischen
Lebens, wird die Mauer zur Panoramawand. Sie trägt ein farbiges Bild, das die Stadt Hamburg in ihrer
aktuellen Architekturphase zeigt. Vor diesem Panorama stehen in geplanter Unordnung 90 Eisenstelen
unterschiedlicher Höhe. Sie präsentieren den Besuchern verschiedene Topfpflanzen. Neben dem Rosenstock
sprießt die Brennessel. Die Kartoffel ist Nachbarin des Lavendel. Heilkräuter siedeln neben der
Giftpflanze. Der exotische Kaktus wartet neben dem heimischen Lauchgemüse auf Sonne.
Die Pflanzen sind Symbolträger der Biodiversität. Sie stehen für die verschiedenen sozialen Schichten
und Herkunftsgebiete der Hamburger Bevölkerung. Dieser Entwurf für eine Welt der Verschiedenheiten mit
gleichem Pflegeanspruch gilt zugleich als Metapher für gleichen Rechtsanspruch.
Aus immer wieder aufgefrischter Pflanzensammlung fördert "Hier + Jetzt" die Fortdauer der Erinnerung
nicht nur im Hinblick auf Vergangenheit. Täglich neu verlangt die Erinnerung ihr "Überlebensrecht".
Ich will kein Mahnmal, dessen Starrheit der Geschichte Fesseln anlegt. Durch das öffentlich zur Schau
gebrachte Denkmal begünstigt das kollektive Gedächnis ja auch zugleich die Materialisierung des
öffentlichen Vergessens. Das Denkmal dient der Schuldabtragung. "Hier + Jetzt" soll aber eine
Gedenkstätte werden, die sich an das wache Bewußtsein wendet. Ich will versuchen, das Wissen von
den Geschehnissen zwischen 1933 und 1945 lebendig zu erhalten, damit es die Justiz jederzeit an
ihre Verantwortung gegenüber dem Leben erinnert. Schließlich dienen dieselben Gebäude, in denen
einst "Unrecht" gesprochen wurde, heute den Rechtsansprüchen der Hamburger Bevölkerung. Daher denke
ich mir "Hier + Jetzt" als einen Ort der Rechenschaft und der Trauer, zugleich aber auch als Ort
des pulsierenden städtischen Lebens unter dem Schutz des Rechts.