Gloria Friedmann
"Hier + Jetzt" - den Opfern nationalsozialistischer Justiz in Hamburg
1997
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Eine Mauer, frontal zum Eingangsbereich des Hanseatischen Oberlandesgerichts am Sievekingplatz. Auf grauer Betonfläche mahnt kalt und provozierend die Zahl 1933. Was damals war, hat die Rechtsprechung blockiert. Zum Park Planten un Blomen hin, ausgerichtet auf einen Entspannungsbereich des städtischen Lebens, wird die Mauer zur Panoramawand. Sie trägt ein farbiges Bild, das die Stadt Hamburg in ihrer aktuellen Architekturphase zeigt. Vor diesem Panorama stehen in geplanter Unordnung 90 Eisenstelen unterschiedlicher Höhe. Sie präsentieren den Besuchern verschiedene Topfpflanzen. Neben dem Rosenstock sprießt die Brennessel. Die Kartoffel ist Nachbarin des Lavendel. Heilkräuter siedeln neben der Giftpflanze. Der exotische Kaktus wartet neben dem heimischen Lauchgemüse auf Sonne.

Die Pflanzen sind Symbolträger der Biodiversität. Sie stehen für die verschiedenen sozialen Schichten und Herkunftsgebiete der Hamburger Bevölkerung. Dieser Entwurf für eine Welt der Verschiedenheiten mit gleichem Pflegeanspruch gilt zugleich als Metapher für gleichen Rechtsanspruch.

Aus immer wieder aufgefrischter Pflanzensammlung fördert "Hier + Jetzt" die Fortdauer der Erinnerung nicht nur im Hinblick auf Vergangenheit. Täglich neu verlangt die Erinnerung ihr "Überlebensrecht".

Ich will kein Mahnmal, dessen Starrheit der Geschichte Fesseln anlegt. Durch das öffentlich zur Schau gebrachte Denkmal begünstigt das kollektive Gedächnis ja auch zugleich die Materialisierung des öffentlichen Vergessens. Das Denkmal dient der Schuldabtragung. "Hier + Jetzt" soll aber eine Gedenkstätte werden, die sich an das wache Bewußtsein wendet. Ich will versuchen, das Wissen von den Geschehnissen zwischen 1933 und 1945 lebendig zu erhalten, damit es die Justiz jederzeit an ihre Verantwortung gegenüber dem Leben erinnert. Schließlich dienen dieselben Gebäude, in denen einst "Unrecht" gesprochen wurde, heute den Rechtsansprüchen der Hamburger Bevölkerung. Daher denke ich mir "Hier + Jetzt" als einen Ort der Rechenschaft und der Trauer, zugleich aber auch als Ort des pulsierenden städtischen Lebens unter dem Schutz des Rechts.

Gloria Friedmann



Das Mahnmal zum Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Justiz wurde im Auftrag der Justizbehörde im Rahmen des Programms "Kunst im öffentlichen Raum" von Gloria Friedmann konzipiert und am 1. Oktober 1997 eingeweiht. Gloria Friedmann (geb. 1950) ist seit 1980 durch eine Vielzahl von Ausstellungen ihrer Skulpturen international bekannt geworden, unter anderem war sie 1987 bei der documenta 8 vertreten. Zu "Hier + Jetzt" ist eine Publikation erschienen mit Texten von Gloria Friedmann, dem Kunstkritiker Günther Engelhard, Wolfgang Hoffmann-Riem, Justizsenator in der Realisierungsphase des Mahnmals und dem Präsidenten des Hamburgischen Verfassungsgerichts und des Oberlandesgerichts, Wilhelm Rapp.



Literatur :

Achim Könneke (Hg.): Gloria Friedmann. Hier + Jetzt - den Opfern nationalsozialistischer Justiz in Hamburg, Hamburg 1998


Standort: vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht auf dem Sievekingplatz - U-Bahn-Line U2, Station Messehallen

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