Wenn der Wind über den Spadenteich in St. Georg weht, beginnen 24 übermannshohe Bleche,
die auf dem Platz vor der Heiligen Dreieinigkeitskirche stehen, leise zu schwanken, wiegen
sich sanft im Luftzug. Die sperrigen Stahlteile (circa 2,50 x 0,80 Meter), deren sensible
Elastizität im Gegensatz zur Stärke des Materials zu stehen scheint, hat der in Hamburg
lebende Bildhauer Horst Hellinger 1987 im Schnittpunkt der Blickachsen von Kirchenallee
und Kirche im Boden verankert. Hochkant aufgestellt ragen die zum großen Teil verrosteten
Bleche auf einer Art Landzunge empor. Hellinger, der den Platz zum Süden hin anheben ließ
und mit einer doppelten Bordsteinkante von den Fahrbahnen trennte, hat die einzelnen Elemente
zu einem lockeren Ensemble aufgestellt, durch das Passanten hindurchgehen können. Je nach
Standort bietet diese bizarre Formation unterschiedliche Ansichten, Aussichten, Einsichten,
öffnet und verschließt sich den Blicken.
Die Bleche stammen von Schiffen, die im Hamburger Hafen abgewrackt wurden. Die leichte
Krümmung der Platten ist meist Folge der Hitzeeinwirkung, denn die Stücke wurden aus den
Schiffsleibern ausgebrannt. An einigen Teilen aber läßt sich auch die Wölbung des
Schiffskörpers noch erkennen. Dort, wo die Kranhaken angesetzt wurden, um die Bleche
zu verladen, klaffen Öffnungen im Metall. Der Rost frißt sich stetig weiter über die
Oberflächen.
Hellinger, 1949 in Frotheim geboren, hat lange Zeit bevorzugt ausrangierte, nutzlos gewordene
Objekte gesammelt, die er zum Teil mit Schweißbrenner, Schmiedehammer und Bohrer bearbeitete.
Im Hamburger Hafen, auf Schrottplätzen und Baustellen wurde er meist fündig, entdeckte jene
vergessenen Dinge, die Geschichten erzählen können: Rohre, Eisenstücke oder ausgediente
Wohnungstüren, die er 1981 zur Hamburger "Sanierungsspirale" zusammenstellte.
Den Plastiker und Zeichner, der 1982 ein Arbeitsstipendium der Freien und Hansestadt Hamburg
erhielt, haben Projekte im öffentlichen Raum immer besonders gereizt. Kunst auf urbanen Plätzen,
so fordert Hellinger, "muß für die Bewohner einer Stadt provozierend und anregend wirken".
Mit seiner Arbeit am Spadenteich hat er nicht nur den Vorgaben entsprechend eine Fläche
deutlich vom Autoverkehr ausgegrenzt, sie optisch und "funktional" Fußgängern zugeordnet;
Hellinger gelang darüber hinaus eine Platzgestaltung, die Bezug nimmt auf Geschichte und
Gegenwart Hamburgs: denn diese 24, inzwischen von Graffiti überzogenen Stahlbleche, die als
Teil des Schiffsleibes über die Meere fuhren und nun als versprengtes Häuflein im Schutz der
mächtigen Dreieinigkeitskirche stehen, sind Sinnbild für den Niedergang der einstmals blühenden
Werftenindustrie.
|