Alfred Hrdlicka
"Gegendenkmal"
1985/86
3 2 1

mehrteilige Skulptur, Gesamtgröße 5 x 5,30 x 7,30 Meter


Der Künstlerwettbewerb 1982 erbrachte 107 Entwürfe, "Um den Platz so umzugestalten, daß aus einer Kriegsverherrlichung ein Mahnmal gegen den Krieg wird". In der Jury waren u. a. Graf Eaudissen von der Führung der Bundeswehr, die kritische Theologin Ranke-Heinemann und der politische Bildhauer Hrdlicka. Sie fanden keinen zur Ausführung geeigneten Entwurf. Die Kunstkommission empfahl deshalb, Alfred Hrdlicka zu beauftragen.

Hrdlicka (geb. 1928) war sich der Schwierigkeit bewußt, die darin lag, ein so gekonnt eingesetztes Propaganda-Instrument, das so lange seine Wirkung getan hatte, mit einer adäquaten künstlerischen Gegenaussage zu konfrontieren. Bei der Erläuterung seiner Vorstellungen benutzte er ein Konklut von Zeichnungen, die entstanden waren, während er sich mit dem Thema beschäftigte. Sie sahen eine im Gegensatz zum geschlossenen Block des Nazi-Denkmals offene Anlage vor, deren Teile die Form eines zerbrochenen Hakenkreuzes bilden würde. Die Teile sollten nacheinander entstehen. Sie sollten als Folgen des Krieges, dessen Beginn das Denkmal darstellt, die Themen "Hamburger Feuersturm", "Verfolgung und Widerstand", "Soldatentod", "Frauenbild im Faschismus" behandeln.

Ein erster Teil, "Hamburger Feuersturm", wurde am 8. Mai 1985, vierzig Jahre nach Kriegsende, der Öffentlichkeit übergeben, der zweite Teil "Untergang von KZ-Häftlingen" wurde am 29. September 1986 aufgestellt.

Hrdlicka hatte die dargestellten Geschehnisse mit treffendem Gespür ausgewählt: Den "Feuersturm" der Bombenangriffe, der die Hamburger getroffen hat wie niemanden vor Dresden und Hiroshima, so daß dafür ein eigener Ausdruck entstanden ist; den Untergang tausender von Häftlingen drei Tage vor Kriegsende, nachdem sie aus dem KZ Neuengamme in Gewaltmärschen zur Lübecker Bucht gebracht und dort auf der "Cap Arcona" und weitere Schiffe getrieben worden waren. Beide Bildhauerstücke lassen erkennen: Dem geschlossenen Block, an dem die Individuen gesichtlos gleichgeschaltet sind zur maschierenden Kriegsmaschine, wird eine offene Form entgegengesetzt. Sowie das 76er Denkmal die latente Lust zur Entindividualisierung im Marschtritt wecken sollte, so wird in den Schilderungen Hrdlickas Angst, Schmerz und Tod des Einzelnen nachvollziehbar. Kollektive Unterordnung hatte stumpf gemacht für die individuelle Verantwortung. Darstellung des Schicksals der Einzelnen soll die Folgen nachfühlbar machen und das Erschrecken darüber auslösen.

Für beide hat Hrdlicka im Ringen mit seinem Konstrukteur und Gießer Alfred Zöttl eigene Formen zu schaffen versucht. Der "Feuersturm" ist eine Kombination aus einer alles überragenden Bronzeplatte mit dem Umriß zischender Flammen und Bronze- und Marmorplastiken einzelner Menschen, die in der Glut vergehen. Der Untergang hat die bereits im carrarischen Steinbruch angelegte Form einer riesigen steinernen Welle, von der die in Stein gehauenen Menschen weggespült werden. Hrdlicka arbeitet mit den Methoden der engagierten figurativen Plastik. Er wählt aussagekräftige Momente des Geschehens, die den Betrachter ergreifen, und führt den Betrachter expressiv gesteigerte Kurzformeln für dieses Geschehen vor Augen.

Danach hat er die geplanten weiteren Teile nicht mehr ausgeführt. Das Gegendenkmal ist deswegen erkennbar ein Torso geblieben. Die Themen "Soldatentod" und "Frauenschicksal" fehlen ihm.

Volker Plagemann


Literatur:

Volker Plagemann (Hg.): Kunst im öffentlichen Raum, Köln 1989




Standort:
Grünanlage zwischen Stephansplatz und Bahnhof Dammtor, am Dammtordamm - Bahnhof Dammtor, Fern- und S-Bahn-Anschlüsse (S21/S31); U-Bahn-Linie U1, Station Stephansplatz


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