Margrit Kahl
Synagogenmonument
1988
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Die Synagoge am Bornplatz, 1906 nach Plänen des Regierungsbaumeisters Ernst Friedheim und des Architekten Semmy Engel errichtet, bildete den Mittelpunkt des religiösen jüdischen Lebens in Hamburg. Sie war die größte Synagoge Norddeutschlands, 1100 Gläubige fanden in ihr Platz. In der Progromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde sie in Brand gesetzt, schwer beschädigt und kurz darauf abgerissen, wofür die jüdische Gemeinde die Kosten aufbringen mußte. Wenig später errichteten die Nazis inmitten des Bornplatzes den heute noch erhaltenen Hochbunker, der den ursprünglichen Platz in zwei Hälften, Allendeplatz und Joseph-Carlebach-Platz teilt. (Genau ein Jahr nach der Einweihung des Monumentes folgte die Umbenennung dieses Teils des ehemaligen Bornplatzes, neuer Bornplatz genannt, in Joseph-Carlebach-Platz zur Erinnerung an Dr. Joseph Carlebach, der von 1936 an bis zu seiner Deportation nach Theresienstadt 1941 der letzte Oberrabbiner von Hamburg war.)

Zum 50. Jahrestag der Zerstörung des Gotteshauses, am 9. November 1988, wurde das von Margrit Kahl (geb. 1942) gestaltete Synagogenmonument eingeweiht. Eineinhalb Jahre, von 1986 an, hatten die Planungen für das Bodenmosaik in Anspruch genommen, begleitet von Gesprächen der Hamburger Künstlerin mit Vertretern der jüdischen Gemeinde, der Kulturbehörde, der Baubehörde und dem Katasteramt. Ein erster Entwurf, der vorsah das hebräische Wort "Awoda" (= Dienst, insbesondere Opferdienst im Tempel zu Jerusalem, später wurde die Bezeichnung auf den Gottesdienst in Synagogen übertragen) als Mosaik in den Boden einzulassen, wurde von der jüdischen Gemeinde abgelehnt. Es bestanden große Zweifel sowohl an der Eignung des von der Künstlerin gewählten Wortes als auch an dem Gestaltungsprinzip: hebräische Schriftzeichen sind heilig und dürfen auf keinen Fall mit den Füßen getreten werden.

Erst der zweite Entwurf führte zu dem später ausgeführten Monument. Er überzeugte durch seinen klaren Grundgedanken: Polierte schwarze Granitsteine zeichnen die Linienführung des Deckengewölbes im Originalmaßstab nach. Die Flächen dazwischen wurden mit unpolierten grauen Granitsteinen gefüllt. So wird die genaue Lage der zerstörten Synagoge, die durch Grabungen ermittelt werden konnte, sichtbar. Ihr Eingang lag zum Grindelhof hin. Im Osten, in Richtung des Universitätsgeländes erhob sich die mächtige Kuppel und die Hauptapsis, wo sich der Thora-Schrein befand. Der Platz ­ er diente bis zu seiner Neugestaltung als Parkplatz ­ ist heute ausschließlich Fußgängern vorbehalten. Eine Gedenktafel mit einem kurzen Abriß der Geschichte der Synagoge befindet sich etwas abseits an der Rückseite des Bunkergebäudes. Durch die Anordung der Baumreihen und Sitzbänke wird die Verbindung zur ehemaligen Talmud-Thora-Realschule, die sich auf der dem Allendeplatz gegenüberliegenden Seite anschließt, betont.

Margrit Kahl hat kein 'Monument' im üblichen Sinne geschaffen, das sich erhebt, in den Weg stellt, verstört. Darüberhastende Fußgänger nehmen das Mosaik vielleicht nur als ein dekoratives Ornament wahr, über das sie arglos laufen, ein schönes Muster aus verschlungenen dunklen Linien auf einem helleren Grund. Das Denkmal für die ehemalige Synagoge macht das Gebäude, an das es erinnert ein Stück weit wieder erfahrbar, es ist anwesend und abwesend zugleich. Betrachter, die sich darauf einlassen, können sich vorstellen, wie es mit Leben gefüllt war und wie Zerstörung und Tod sich breit machten. Es ist ein freier Platz entstanden, von dem das Monument ein Teil ist. Ein Denkraum.

Julia Mummenhoff


Literatur:


Volker Plagemann: "Vaterstadt, Vaterland; schütz dich Gott mit starker Hand" - Denkmäler in Hamburg, Hamburg 1986

Deutsch-jüdische Gesellschaft Hamburg (Hg.): Wegweiser zu ehemaligen jüdischen Stätten in Hamburg, Heft 3, Hamburg 1989

Vierhundert Jahre Juden in Hamburg, 2 Bde, Hamburg 1992




Standort:
Ecke Grindelhof / Joseph-Carlebach-Platz - Nähe Bahnhof Dammtor, Fern- und S-Bahn-Anschlüsse (S21/S31); Buslinie 102, Richtung Niendorf-Markt, Station Grindelhof

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