"Infrasound"

Ein Projekt im Rahmen der "Hamburger Woche der bildenden Kunst", kuratiert von Jérôme Sans in Zusammenarbeit mit Karin Günther vom 13. Oktober bis 5. November 1995


Eine Stadt ist erfüllt von Geräuschen. Alle diese Geräusche bleiben uns nur wenig im Bewußtsein. Dennoch prägen sie unsere Vorstellungen und Empfindungen von Orten. Geräusche sind überall ­ 24 Stunden lang. Es gibt wenig öffentliche Räume ohne hinzugefügte Geräusche, ohne akustische Signale, Informationen, Musik, Muzak. Die Stadt ist die Angst vor der Leere.

17 bildende Künstler konzipierten 1995 im Rahmen der "Hamburger Woche der bildenden Kunst" für verschiedene Plätze und Gebäude im Hamburger Innenstadtbereich akustische Arbeiten. Die Arbeiten waren weitgehend unsichtbar und überwiegend an urbanen Orten mit ihren eigenen spezifischen akustischen Umwelten, installiert: zum Beispiel im Hauptbahnhof, in einer U-Bahn-Station, einer Einkaufspassage, der Finanzbehörde, einer Bank, im alten Elbtunnel und in einem Musikclub am Hafen. Bewußt wurden bereits existierende akustische Einrichtungen wie versteckte Lautsprecher und Beschallungsanlagen für die künstlerischen Arbeiten benutzt.

Mit den verschiedenen Installationsorten wurde ein Parcours durch die Innenstadt von St. Georg bis St. Pauli beschrieben, den die Besucher abschreiten konnten, auf die Passanten aber auch per Zufall stießen. Bezugnehmend auf die Identität der Orte, ihre Architektur, Geschichte und Funktion hat der Spaziergang Fiktionen in den Raum gestellt, Fragen aufgeworfen und Geschichten erzählt.

Jérôme Sans hatte mit "Infrasound" ein Stadt-Projekt konzipiert und keine weitere Klangausstellung. Ganz bewußt wurden keine Klangkünstler eingeladen, sondern durchweg Künstlerinnen und Künstler, die sich in ihrem Werk mit urbanen Situationen, gesellschaftlichen und sozialen Kontexten auseinandersetzen. Mit den leisen und unsichtbaren Eingriffen wurde dem akustischen Spektakel Stadt kein neues Spektakel hinzugefügt. Eine Strategie des Verschwindens. In einer Zeit, in der die gegenwärtige Gesellschaft und die Stadt selbst blind ist vom Sehen, war "Infrasound" eine Möglichkeit, um wieder neu mit den Ohren zu schauen.

A. K.

Beteiligte Künstler:
Claus Böhmler, "Welchen Tanz tanzt Du?", Harry's Hafenbasar

Chen Zhen, "Hamburgs Chinatown", Radio: Offener Kanal Hamburg

Michel Dector & Michel Dupuy, "Let's go fishing in the sea of life", Eingang des Spiegel-Verlagsgebäudes, Brandstwiete

Peter Fend, "Enten durchfliegen Hamburg", Fleetmarkt

Jochen Gerz, "Hierophanien #2", Kirche St. Michaelis

Noritoshi Hirakawa, "Unvergessene Erinnerungen vor dem Vergessen", Geldautomatenraum der Nord/LB, Brodschrangen

Ivana Jokl, "Es war Nacht", Finanzbehörde, Gänsemarkt

Louise Lawler, "Birdscall", Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall

Ken Lum, "Ein erinnerungswürdiger Ort", U-Bahn-Station Jungfernstieg

Rupprecht Matthies, "Der Märklinmann", Hauptbahnhof

Kristin Oppenheim, "Sally go around, round and around", Zentraler Omnibusbahnhof, Steintorplatz

Pipilotti Rist, ohne Titel, Zentralbücherei, Große Bleichen

Hinrich Sachs, "Empfang", Gruner & Jahr Verlag, Baumwall

Sam Samore, "Song for the sirens", Passage im Hanseviertel

Nicola Torke, "Fisches Nachtgesang", Planten un Blomen, Wallgrabensee

Matta Wagnest, "There will never be another you", Alter Elbtunnel, St. Pauli Landungsbrücken

Heimo Zobernig, ohne Titel, Golden Pudel Club, Am Fischmarkt


Literatur: Kulturbehörde Hamburg (Hg.): Infrasound. Stadt. Geräusche, Hamburg 1995

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