Hubert Kiecol
Ohne Titel (Tor)
1985
1

In Hamburgs Norden, nahe der Stadt Ahrensburg, entstand in den 70er Jahren das Neubaugebiet Buchenkamp. Den Kern dieser Siedlung markiert ein runder und zentraler Platz, an den Läden, Wohnungen sowie der nahegelegene Bahnhofsbereich angrenzen. Von seinem Zentrum leicht abgerückt und durch entsprechende Bepflasterungen erkennbar, sind in den Boden des Platzes Kreise eingelassen. In ihrer gemeinsamen Mitte ragt das "Tor" von Hubert Kiecol in die Höhe. Der über fünf Meter hohe und auf einem quadratischen Grundriß (1,73 x 1,73 Meter) errichtete Bau ist an jeder seiner Seiten offen. Dadurch tragen insgesamt vier Ein- bzw. Ausgänge maßgeblich zu seinem Erscheinungsbild bei.

Das "Tor" selbst fußt auf vier langgezogenen Pfeilern, die ein Satteldach tragen. An seinen beiden Giebeln ziehen sich die Tore höher als an den anderen Seiten nach oben, sodaß ein rythmischer Wechsel von unterschiedlichen Torhöhen den Rundgang um den Bau bestimmt. Inseitig ist das "Tor" verklinkert. Außen verleiht ihm heller Gußbeton ein einheitliches Aussehen.

Mit seinem "Tor" (das Werk ist unbetitelt) hat sich Hubert Kiecol für die Form des Zentralbaus entschieden, einer Bauform, bei der sich alle Teile auf einen gemeinsamen Mittelpunkt beziehen. Im Idealfall bestimmt diese Architektur auch die Mitte ihres Umfeldes. Sie wird dann zum Zentrum und Ausgangspunkt der umliegenden Gebäude. Anklänge an diese "Idealform" finden sich beim "Tor" wieder. Wer sich unter sein Dach stellt, erfährt die Umgebung in vorgegebenen Blickachsen, die entlang der Himmelsrichtungen verlaufen. Das "Tor" selbst nimmt diese Wechselbeziehung zwischen sich und seinem Umfeld auch durch die Klinkerbausteine auf, die das vorherrschende Baumaterial des Neubaugebiets zitieren.

Als Künstler und Bildhauer hat sich Hubert Kiecol (geb. 1950) von Anfang an mit Architektur beschäftigt. Seine Skulpturen, zumeist modellhaft klein und in Gußbeton ausgeführt, bedienen sich fast vollständig aus dem architektonischen Repertoire: Häuser, Treppen, Sarkophage, Quader oder Schrankgehäuse. Oft begegnen sie dem Besucher als imaginärer Archetyp, als eine Grundform, die mit wenigen plastischen aber umso charakteristischen Andeutungen ihre Funktion preisgibt. Kiecol allerdings versteht sich nicht als Architekt, dessen Werke zu funktionieren haben. Vielmehr verweisen sie auf Zusammenhänge, die auch außerhalb der bloßen Architektur liegen. Sie reflektieren Architektur als den Ort menschlichen Lebens, der Geburt und des Todes, der privaten und der öffentlichen Sphäre. Das "Tor" läßt sich damit auch metaphorisch lesen, gleichsam als Schwelle, die neue Räume eröffnet und alte aus dem Blickwinkel verlieren läßt, egal ob es sich dabei um geographische, mentale oder emotionale Räume handelt.
Wolf Jahn


Literatur:

Klaus Bußmann; Kasper König (Hg.): Skulptur Projekte in Münster 1987, Köln 1987



Weitere Arbeiten:

1982 Teilnahme am Projekt "Halle 6"
1986 "Bank", Teilnahme am Projekt "Jenisch-Park Skulptur"




Standort:
Buchenkamp-Nord, Buchenring auf dem zentralen Platz der Neubausiedlung - S-Bahn-Linie U1, Station Buchenkamp

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