Tom Fecht
"Namen und Steine"
1994

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"Namen und Steine" in Hamburg ist Teil einer europaweit und temporär angelegten Außeninstallation des Berliner Künstlers Tom Fecht (geb. 1952). Zum ersten Mal präsentierte er sie 1992 auf der documenta IX. Zu sehen waren gewöhnliche, aber auch mit Namen von AIDS-Verstorbenen eingravierte Pflastersteine, die in den Gehweg eingelassen waren. Es folgten weitere und stets verschieden angelegte Installationen, zum Beispiel in Berlin, Riga und St. Tropez. Das Ende der Installation ist auf das Jahr 2000 datiert. Alle bis dahin ausgelegten Steine gehen dann in den Besitz der Deutschen Aids-Stiftung über. Die Stiftung organisiert den Verkauf der Steine, von dessen Erlös sie einen Teil für die Hilfe für AIDS-Betroffene einbehält.

1994 beschlossen mehrere Hamburger Kulturinstitutionen die Stiftung zu unterstützen. In diesem Zuge wurde auch das Projekt "Namen und Steine" nach Hamburg geholt. Kurz vor dem Welt-AIDS-Tags am 1. Dezember verlegte Tom Fecht circa 50 Steine im Hamburger Stadtteil St. Georg in den Bürgersteig. Kreuzförmig und entlang der Himmelsrichtungen sind die Namenssteine dort vor dem Glockenturm der Dreieinigkeitskirche eingelassen. In das Kreuz fügen sich neben unbeschrifteten Steinen auch Steine mit einem '+'-Zeichen, sowie ein Stein mit dem Begriff 'DENKRAUM' ein. Ein Titelstein mit der Inschrift "Mémoire nomade/NAMEN und STEINE/Hamburg 1994" markiert den Achsenschnittpunkt des Kreuzes. Zuvor waren die Steine als "Nature Morte", als Stilleben, in der Hamburger Kunsthalle präsentiert worden.

Fecht begreift seine Gesamtinstallation als ein "nomadisierendes Gedächtnis", als "mobiles Denkmal, das bis zur Jahrtausendwende ein Nomadenleben führt." In ihr geht es um Zeit und um "den frühen Tod, beschleunigt durch eine tödliche Progression." Wie die Leben der in ihr verewigten, aber auch die aller anderen Menschen, ist seine Arbeit nur von begrenzter Dauer. So nimmt sein "mobiles Denkmal" etwas vom Monumentalcharakter klassicher Denkmäler zurück. Weder ist es spektakulär errichtet, noch ideologisch überhöht, eher beiläufig ausgelegt. Die Komplexität aus Erinnern und Gedenken, aber auch aus Ermahnung zum Leben veranschaulicht es mit der reduzierten Geste der Namensnennung. Auch die Tatsache, daß es sich um gefundene Steine handelt, um Steine, die schon einmal im Gebrauch waren, zeichnet in das Denkmal die Erinnerungsspur eines archäologischen Fundes ein. Darüber hinaus ist es 'Pflaster' auch im etymologischen Sinne, nämlich 'Wundpflaster'.

Nimmt man die Gesamtheit der Namenssteine, so fällt an ihnen zweierlei auf: Zum einen nennen sie unbekannte, aber auch bekannte Namen, etwa den Popmusiker Freddie Mercury. Zum anderen sind sie in verschiedenen Schriften ausgeführt - in hebräisch, chinesisch und anderen (nicht in Hamburg). Fecht kehrt damit das allgemeinmenschliche Anliegen hervor, das sich im übrigen auch in den unbeschrifteten Steinen widerspiegelt. Diese mögen für die anonymen aber auch künftigen AIDS-Opfer stehen. Das Gemeinsame der Steine ist ihre gleiche, aber eben darin individuelle Form ­ eine Metapher für die Einmaligkeit eines jeden menschlichen Individuums.

In Hamburg hat Tom Fecht die Steine vor eine Kirche gesetzt und mit ihrer kreuzförmigen Ausrichtung einen formalen Bezug zum Kirchengrundriß hergestellt. Dieser Bezug aber ist ambivalent. Er dient sich nicht der Kirche an, sondern will, ebenso wie sie, einen DENKRAUM eröffnen, der von Tod und Leben handelt. "Hinter all dem", resümiert Fecht seine Arbeit im sakralen Umfeld, "verbirgt sich die Säkularisierung und das Ende des Monopols der Kirchen im Umgang mit dem Tod, aber auch ein Begreifen meiner eigenen Natur auf Zeit."

Wolf Jahn



Literatur:

Deutsche AIDS-Stiftung (Hg.): Namen und Steine. Tom Fecht. Mémoire Nomande. Fragmente, Köln 1993


Kontaktadresse:

Deutsche AIDS-Stiftung
Markt 26, 53111 Bonn
Tel. (0228) 60 469-34
Fax (0228) 60 469-99


Weitere Arbeiten:

1998 "Chiffre 1997-1998"

Standort: im Bürgersteig an der Südseite des alten Glockenturms der Heiligen Dreieinigkeitskirche zu St. Georg eingelassen, Ecke Alstertwiete / Koppel, Nähe Hauptbahnhof


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